
Wie zuverlässig ist das Gütesiegel »Der Grüne Knopf«?
Die Bilder von der eingestürzten Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesh im Jahr 2013 waren für viele Konsumenten und Textilhändler ein Augenöffner. Über 1.100 Menschen kamen bei dem Unglück um, darunter hauptsächlich Näherinnen, die unter miserablen Arbeitsbedingungen und Sicherheitsvorkehrungen im Akkord Kleidung für bekannte deutsche Modemarken fertigten. Bundesentwicklungshilfeminister Gerd Müller initiierte daraufhin ein Textilbündnis. Tragödien wie diese sollten in Zukunft verhindert und die Standards für die Textilproduktion im Ausland deutlich angehoben werden. Ein Siegel musste her, das dem oft ratlosen Konsumenten fortan als ethischer Kompass beim Kleidungskauf dienen sollte.
Freiwillige Verpflichtung zur Einhaltung von 26 Standards
Nach fünf Jahren der Entwicklung wurde am 9. September 2019 offiziell »der Grüne Knopf« vom Bundesministerium vorgestellt. Mit ihm auch die ersten deutschen Modemarken, die alle 26 enthaltenen sozialen und ökologischen Mindeststandards erfüllen, darunter das Sicherstellen von Arbeitszeiten, Mindestlohn und Mutterschutz sowie die Verbesserung des Brandschutzes in Fabriken und Nähereien. Ein strenger Anforderungskatalog, sollte man meinen. Doch die Mitglieder der »Kampagne für Saubere Kleidung« weisen auf gravierende Lücken bei den Kontrollinstanzen des Textilzertifikats hin.
Nur teilweise Überprüfung der Produktionskette
Zum einen stellt der Grüne Knopf in der Pilotphase, die bis Mitte 2021 andauern soll, nur faire Produktionsbedingungen in der Phase »Zuschneiden und Nähen« sicher. Weitere, meist sehr Chemie-intensive Arbeitsschritte, wie der Anbau von Baumwolle und das Bleichen von Jeans werden komplett ausgeklammert. Außerdem sichert der Erhalt des Mindestlohns längst nicht das Existenzminimum in Entwicklungsländern. Das heißt, selbst wenn die Näherinnen ein festes Einkommen haben, bedeutet es nicht, dass sie damit ihre Familie ernähren können.
Verlässliche Textilsiegel gibt es bereits
grau-sucht-grün-Netzwerkpartner Sören Lauer vom Bremer Fair-Fashion-Geschäft fairtragen sieht die Einführung des Grünen Knopfs ebenfalls kritisch. Beim Wareneinkauf orientiert sich das Unternehmen schon seit Jahren an Textilsiegeln wie GOTS, Fairtrade Cotton und Fair Wear Foundation. Aber auch der Grüne Knopf ist kein Patentrezept für »Slow Fashion«: »Es freut uns, dass Nachhaltigkeit in der Bekleidungsindustrie immer stärker thematisiert wird und die Nachfrage bei den Käufern zusehends wächst«, betont Lauer, »aber eine gesetzliche Regelung wäre viel sinnvoller als eine freiwillige Zertifizierung. Ich würde mir wünschen, dass Mode, die in der Herstellung gegen Menschenrechte und Umweltschutz verstößt, gar nicht erst in Deutschland verkauft werden dürfte.«
Netzwerkpartner von grau sucht grün beraten Sie – aus Überzeugung
Bis dahin ist es vermutlich noch ein weiter Weg. Der Slogan für das neu eingeführte Textilsiegel lautet: »Unser Zeichen für Verantwortung. Der Grüne Knopf kommt.« Ein Stück Verantwortung mögen die freiwilligen Teilnehmer des Gütesiegels für fair produzierte Mode übernommen haben. Doch die andere Hälfte muss weiterhin der Endverbraucher tragen. Wir von grau sucht grün empfehlen Ihnen im Zweifel immer das Gespräch mit Herstellern und Händlern. Unsere Netzwerkpartner beraten Sie gern und wissen – meist im Gegensatz zu Verkäufern großer Modeketten und zum Onlinehandel – wo und wie ihre Waren produziert werden. Fragen Sie einfach mal nach!